Regelmäßig fordert die Arbeiterkammer Quotenregelungen für Unternehmen. Erst kürzlich verlangte sie einmal mehr eine „gesetzliche Geschlechterquote“ von 40 Prozent bei der Besetzung von Aufsichtsratsmandaten. Die Einführung sollte schrittweise erfolgen, und bei Nichteinhaltung sollten wirksame Sanktionen wie spürbare Geldstrafen oder eine Eintragung im Firmenbuch drohen. „Mit Selbstverpflichtung und Freiwilligkeit kommt Frau in Österreich offenbar nicht weiter“, erklärte AK-Vizepräsidentin Dwora Stein.
Nicht nur für Unternehmen in Österreich trifft Steins Diagnose zu. Auch die Präsidentenposten bei den Sozialpartnern sind in Männerhand. So auch bei der Arbeiterkammer. Der Präsident der Bundesarbeiterkammer ist ein Mann. Der Präsident der Arbeiterkammer Steiermark ist ein Mann. Auch der Präsident der Arbeiterkammer Kärnten ist ein Mann. Gleiches gilt für alle übrigen Bundesländer. Selbst ein historischer Rückblick wirft kein besseres Bild auf die Arbeiterkammer. Seit 1945 hat sie nur eine Präsidentin hervorgebracht. Die ehemalige Sozialministerin Lore Hostasch war von 1994 bis 1997 Präsidentin der Bundesarbeiterkammer und der AK Wien. Auf sie berufen sich ranghohe Funktionäre gerne, wenn die Männerdominanz in ihren Reihen kritisiert wird.
Ungleiche Verteilung der Arbeitslast
„Nicht nur die Arbeiterkammer, auch die Wirtschaftskammer, die Gewerkschaft sowie die Industriellenvereinigung sind auf Funktionärsebene Männerdomänen“, sagt Politologe Emmerich Tálos. Die ungleiche Verteilung der familiären Arbeit zwischen Mann und Frau sei ein wesentlicher Grund für die männliche Vorherrschaft in den Sozialpartnerverbänden. Nach wie vor seien in erster Linie Frauen für Kind und Haushalt verantwortlich. Deshalb sei es für sie ungleich schwerer, eine Betriebsratsfunktion zu übernehmen, die oft am Beginn einer Arbeiterkammerkarriere steht.
Durch diese Schieflage hätten die Sozialpartner die Interessen der erwerbstätigen Männer in der Vergangenheit stärker wahrgenommen als jene der Frauen. Nun sei diesbezüglich aber „einiges im Fluss“. Trotzdem seien die Sozialpartnerverbände gefordert, Vorkehrungen zu treffen, um mehr Frauen in ihren Spitzenfunktionen zu etablieren. Und: Wäre die Arbeiterkammer konsequent, müsste sie in all ihren Gremien Quotenregelungen einführen, sagt Tálos.
„Ich wünsche mir eine Präsidentin“
Für Ulrike Stein, Arbeiterkammerrätin bei der Fraktion AUGE/UG, sind es die „Männer und ihre Bünde“, die auch bei den Sozialpartnern nach wie vor existieren und für die Schieflage verantwortlich sind. An der Qualifikation der Frauen würde es nicht scheitern: „Es gibt genug gute Frauen. Diese werden aber lieber in der zweiten Reihe gesehen.“ Eine Geschlechterquote, und zwar im Verhältnis 50:50, sei auch für die Arbeiterkammer wünschenswert. Gerade viele Frauen stünden in prekären Arbeitsverhältnissen. „Sie brauchen eine starke Vertretung. Ich wünsche mir eine Präsidentin“, sagt Stein.
Die „Leichtigkeit“ fehlt
Im Gegensatz zur Arbeiterkammer kann der ÖGB in seiner Geschichte auf keine einzige Präsidentin verweisen. Auch die diversen Teilgewerkschaften sind in der Regel in Männerhand. Sabine Oberhauser, Vizepräsidentin des ÖGB und SP-Abgeordnete, sagt, dass man bei Frauen ungleich mehr Überzeugungsarbeit leisten müsse. „Wenn man Frauen fragt, ob sie eine bestimmte Funktion übernehmen würden, überlegen sie dreimal, ob sich das ausgeht, bevor sie zusagen. Bei Männern habe ich das noch nie erlebt.“ Es bräuchte auch bei den Frauen jene „Leichtigkeit“, mit der Männer Positionen annehmen. Während Männer ihre Topfunktionen als Trophäe der Macht vor sich hertragen, ginge es Frauen eher um die damit verbundene Arbeit und Verantwortung. Zum von Tálos eingebrachten Argument der Doppelbelastung sagt Oberhauser: Viele Frauen fühlen sich verantwortlicher, als sie eigentlich müssten. Aber die Macht der Männernetzwerke spiele nach wie vor eine bedeutende Rolle: „Frauen kommen dann zum Zug, wenn Männer verhindert sind“, sagt Oberhauser.
„Beratende Stimmen“
Während immerhin die Wiener Wirtschaftskammer mit der Nationalratsabgeordneten Brigitte Jank und die Wirtschaftskammer in Niederösterreich mit Bundesrätin Sonja Zwazl an der Spitze Frauen vorzuweisen haben, reiht sich unter dem Bundes-Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl eine männliche Riege von vier Vizepräsidenten. Die beiden Vizepräsidentinnen Renate Römer und Martha Schulz sind mit „beratender Stimme“ ausgestattet. Konkret heißt das: Formal haben sie kein Stimmrecht. Wie der Sprecher der Wirtschaftskammer gegenüber derStandard.at versichert, spiele das in der Realität jedoch „keine Rolle“. Präsident Leitl sei prinzipiell bemüht, Einstimmigkeit im Präsidium herzustellen. „Die beiden Damen stimmen selbstverständlich mit.“ Ein Präsidentin im Bund sucht man im Übrigen auch in der Geschichte der Wirtschaftskammer vergebens.
(Katrin Burgstaller, derStandard.at, 5.3.2014)