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Wer reist kann was erleben. So geschah es auch mir.

Das 1. Mai-Komitee in Zürich, eine Organisationsplattform für Veranstaltungen zum Tag der Arbeit, das von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, den Grünen und verschiedenen linken Gruppen und Einzelaktivist_innen sowie den Gewerkschaften getragen wird, hatte Kathrin und mich eingeladen, über die Initiative „Kritische und Solidarische Universität“ in Wien zu sprechen.

Der 1. Mai trug den Titel „Moneypulation. Verlieren wir die Beherrschung

Zusammen mit drei Vertreter_innen der Schweizer Besetzungsbewegung „Unsere Uni“ bzw. „Uni von Unten“ in Zürich sowie einem Aktivisten der Autonomen Schule in Zürich – eines Projekts für Asylwerber_innen, das in besetzten Räumen und wechselnden Orten Bildung von unten praktiziert – diskutierten Kathrin und ich über die Perspektive der Uniproteste. Es moderierte Professor Ueli Mäder.

Tags darauf fand die 1. Mai-Demo im Regen statt. Die venezolanische Frauenministerin Maria Leon hielt die flammende und ermutigende Abschlussrede, die in der Aufforderung, den Kapitalismus zu stürzen, gipfelte. Von den traditionellen Ausschreitungen bekamen wir erst am Nachmittag auf dem Festgelände etwas mit. Offenbar mehrheitlich Jugendliche erwiderten das Abfeuern von Gummigeschossen seitens der Polizei mit dem Wurf von Steinen und Flaschen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Am Festgelände gab es einen Konflikt, ob man die Tore (und damit einen Fluchtweg) für die Jugendlichen verschließen solle oder nicht. Jene, die für die Solidarität mit den Jugendlichen eintraten, setzten sich durch.

Wir besuchten eine Veranstaltung zu Mexiko in einem autonomen Zentrum. Dabei war unter anderem die jüngste mörderische Offensive der Paramilitärs in Chiapas, Mexiko, gegen die Befreiungsbewegung EZLN, bei der erstmals auch zwei ausländische Menschenrechtsbeobachter_innen getötet wurden, Thema.

Am Festgelände selbst herrschte reger Betrieb trotz Regen. Ich besuchte die Veranstaltung der venezolanischen Frauenministerin Maria Leon, die von der Vizeministerin begleitet wurde, bei der einmal mehr deutlich wurde, dass sich die Linke mehr mit den Entwicklungen in Venezuela auseinandersetzen sollte. Die beiden hoben hervor, dass die neue venezolanische Verfassung die unbezahlte Arbeit (die vor allem von Frauen erbracht wird) als die Basis der Gesellschaft definiert. Das von den Bewegungen in Venezuela getragene Projekt eines „Sozialismus für das 21. Jahrhhundert“ sei ein offenes Projekt. Feminismus und das gesellschaftliche Eigentum an Produktionsmitteln wären die Eckpfeiler.

Überraschend war für mich das Podium zum neuen Parteiprogramm der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. Es diskutierten Hans-Jürg Fehr (Nationalrat SP, Ex-Parteichef), Julia Gerber Rüegg (Präsidentin GBKZ – Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich; Co-Präsidentin der SP Frauen), Willy Spieler (alt-Kantonsrat SP). Das neue SP-Parteiprogramm, so stellte der Moderator eingangs fest, hat für große Diskussionen gesorgt. Fehr bestätigte, dass das Interesse an der inhaltlichen Debatte erstaunlich groß sei. Das ist kein Wunder. Tritt das Programm doch für Wirtschaftsdemokratie ein, die als Weg zur Überwindung des Kapitalismus konzipiert wird.

Die Debatte zeigte, dass sich die Autor_innen des Programms sehr wohl im Klaren sind über die Schwierigkeiten einer solchen Transformation. Das aktuelle Genossenschaftswesen müsse grundlegend reformiert und ausgebaut werden. Problematisch freilich ist, dass zwar die Lohnarbeit, nicht jedoch die Profitorientierung der Produktion aufgehoben werden soll. Das SP-Programm ist daher ein Lichtblick in der parteipolitischen Fisnternis Mitteleuropas, aber noch weit von einem wirklichen Beitrag für die anstehende Transformation entfernt.

Das garantierte Grundeinkommen fand sich übrigens in einer Vorversion des Programms, wurde aber von der SP-Geschäftsleitung entfernt. Willy Spieler rief die SP-Basis dazu auf, es wieder hineinzureklamieren.

Im Anschluss fanden zwei Vorträge der Gruppe „Antikapitalistische Linke“ zu dem Streik bei Swissport im Jänner diesen Jahres statt. Gepäckarbeiter hatten trotz fehlender Organisierungserfahrung, jedoch mit beharrlicher Unterstützung der Gewerkschaft unter widrigen Bedingungen 11 Tage lang gestreikt und nicht nur einen Defensivkampf geführt, sondern substanzielle Verbesserungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen erreicht:

Der Streik der Gepäckarbeiter am Flughafen Genf im Januar 2010. Ab dem 2. Januar 2010 haben die Gepäckarbeiter der Swissport im Flughafen Genf / Cointrin (AIG) während elf Tagen gestreikt und eine deutliche Verbesserung ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen durchgesetzt: 180–190 Fr. im Monat, 3 Tage Krankheit ohne Lohneinbusse von 20%. Dieser Kampf zeigt, dass die aktuelle Lähmung der Gewerkschaftsbewegung auch unter ungünstigen Bedingungen überwunden werden kann und Siege möglich sind. Aber nur durch entschlossenen Kampf! Die etwa 80 Gepäckarbeiter der Swissport versammelten sich täglich und beschlossen alle Massnahmen und Forderungen gemeinsam. Sie wurden durch die akti­vsten Teile der Gewerkschaft VPOD/SSP unterstützt – ähnlich wie beim Kampf der Officine-Arbeiter im März 2008. Im Gegensatz zu jenem Kampf, wo es vordergründig um die Verteidigung der Arbeitsplätze ging, war dies eine offensive Bewegung für eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen.

Angesichts der Lähmung der Gewerkschaften in der nun bereits seit zwei Jahre anhaltenden Krise, ist dies ein Hoffnungszeichen: Selbst unter äusserstem Druck sind Verbesserungen möglich! Aber ebenso klar ist, dass dies nur durch kämpferische Arbeiter- und Gewerkschaftskerne möglich ist, und dass dies eine politische und organisatorische Vorbereitung braucht. Dem Streik der Gepäckarbeiter ging denn auch eine mehr als zwei Jahren dauernde, beharrliche gewerkschaftliche Aufbauarbeit im Betrieb voraus.

1 Kommentare am 4. Mai 2010

One Response to “1. Mai in Zürich: SP fordert Wirtschaftsdemokratie! Streiks wirken! Sozialismus für das 21. Jahrhundert!”

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