Arbeitsprogramm der AUGE/UG-VertreterInnen in Sozialversicherungsträgern
21.5.2016, 3. Version – download
Die AUGE-UG entsendet auf Grund der Wahlergebnisse der AK-Wahlen VertreterInnen in die verschiedenen Sozialversicherungsträger, also in die Pensionsversicherungsanstalt, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt und die Gebietskrankenkassen.
Auf Grund der letzten AK-Wahl haben wir VertreterInnen in
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der Pensionsversicherungsanstalt (GV 4)
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der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (GV 1)
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der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (GV 1)
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der Salzburger Gebietskrankenkasse (GV 1)
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der Steirischen Gebietskrankenkasse (GV 1)
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der Tiroler Gebietskrankenkasse (GV 2)
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der Vorarlberger Gebietskrankenkasse (GV 1)
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der Wiener Gebietskrankenkasse (Vorstand 1, GV 1)
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im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (Vorstand 1)
Damit haben wir in diesen Gremien eine Stärke erreicht, mit der wir gezielt kooperative Vertretungspolitik machen können. Und das wollen wir auch tun.
Es gibt viel zu kritisieren, aber das österreichische System der Sozialversicherung zählt zu den sichersten Sozialsystemen der Welt. Das liegt unter anderem auch daran, dass es aus Beiträgen gespeist wird und die BeitragszahlerInnen damit Rechtsansprüche auf bestimmte Leistungen erhalten. Es ist in Österreich nicht so einfach für Regierungen, diese Rechtsansprüche zu kürzen.
Es ist daher wichtig und sinnvoll, uns an der Absicherung der sozialen Sicherheit für die Menschen in diesem Land zu beteiligen; uns dafür einzusetzen, dass Menschen das bekommen, was sie brauchen. Wir stehen zum Prinzip der solidarischen Pflichtversicherung, die durch ein Umlagesystem finanziert wird.
Ganz leicht macht es uns dieses System nicht: Da gibt es einmal diese absurde ständische Aufspaltung in viele unterschiedliche Träger: Warum BäuerInnen, BeamtInnen oder Selbständige im Krankheitsfall, in der Pension und bei der Entrichtung von Beiträgen anders zu behandeln sind, als die große Mehrheit der nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz versicherten Menschen, ist uns nicht nachvollziehbar.
Wir können dahinter nur das Ansinnen politischer Parteien und Interessensverbände erkennen, sich in diesen Bereichen Jobs und Einfluss zum Schaden aller anderen zu verschaffen.
Es ist uns schleierhaft, wieso es in der Pensionsversicherung eine Anstalt für ArbeiterInnen und Angestellte sowie jeweils eine für Bundes- und neun für LandesbeamtInnen mit jeweils eigenen Regeln geben muss. Genauso absurd ist es, dass es neben den neun Gebietskrankenkassen 15 (?) öffentliche andere Krankenkassen gibt. Unverständlich ist auch warum es fünf verschiedene Systeme der Unfallversicherung gibt.
Wir würden meinen, dass in einem öffentlichen solidarischen Versicherungssystem die Risken und Belastungen der unterschiedlichen Träger ausgeglichen würden. Aber dem ist nicht so. Gesetzliche Beschränkungen sowie Partikularinteresssen prägen die Finanzgebarung.
Wir verstehen auch nicht, warum die realen Eigentumsverhältnisse in der Sozialversicherung vor den EigentümerInnen versteckt werden: EigentümerInnen der Pensionsversicherung, der Krankenkassen und der Unfallversicherung sind die Versicherten. Diese merken das aber gar nicht.
Versicherte sind nicht „gleich viel wert“. Die Wirtschaftskammern erhalten in diesem System viel zu viel Macht. Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger sitzen gleich viel VertreterInnen der Wirtschaftskammern wie der ArbeitnehmerInnenvertreterInnen, obwohl Letztere mehr als zehn Mal so viele Menschen sind. In den Gebietskrankenkassen haben VertreterInnen der Wirtschaftskammern fast so etwas wie ein Vetorecht, obwohl in den Gebietskrankenkassen gar keine selbständig erwerbstätigen Menschen versichert sind.
Und wenn Menschen zur AK-Wahl gehen, wissen sie meist gar nicht, dass sie dabei auch gleich ihre VertreterInnen in den Sozialversicherungen wählen.
Dazu kommt, dass Sozialversicherungsträger von der Politik seit Jahrzehnten systematisch als Melkkuh benutzt werden: Die Politik überträgt den Trägern regelmäßig neue, manchmal anerkennenswerte, oftmals ideologisch von den jeweiligen Regierungen gewünschte Aufgaben, ohne das dazu nötige Geld und den nötigen Handlungsspielraum mitzuliefern. Unter Schwarz-Blau wurde beispielsweise der Krankenversicherung politisch aufgetragen, Gelder für Privatspitäler in einem Fonds zu parken. Sie musste eine überbürokratisierte und vielfach ungerechte (weil in entscheidenden Situationen nicht wirksame) Rezeptgebührenobergrenze schaffen, ohne die dadurch anfallenden Kosten ersetzt zu bekommen. Sie muss von jedem eingenommenen Beitragseuro ca. ein Drittel an die Bundesländer abführen, ohne Einfluss auf deren Mitteleinsatz nehmen zu können. Und sie ist vom Gesetzgeber recht schutzlos gleich mehreren Interessensgruppen ausgeliefert, die das Geld der Versicherten vor allem als Einnahmequellen betrachten: Ärztekammern, Pharmakonzernen, aber auch Bundes- und Landespolitik.
All das bleibt den Versicherten verborgen. Sie merken es jedoch, wenn die Politik den Kassen aufträgt, zu sparen. Das schlägt sich dann in Maßnahmen nieder, die die Versicherten bemerken: regelmäßig als Verschlechterung.
Was wir wollen?
Allgemein
- Zuallererst bedarf es neben einer entsprechenden öffentlichen Diskussion auch einer Demokratisierung der Versicherungsstrukturen: weg vom vordemokratischen Kurienmodell hin zu echten Versichertenwahlen nach dem Prinzip „one-person-one-vote“. Dazu brauchen wir eine Informationspflicht der Versicherungen gegenüber ihren EigentümerInnen (Versicherten), transparente Entscheidungsprozesse, nachhaltige Einbindung der Versicherten sowie eine unabhängige Kontrolle der Finanzgebarung.
- Wir wollen die Eingliederung der Sonderversicherungssysteme in jeweils ein Kranken-, ein Pensionsversicherungs- und ein Unfallversicherungssystem für alle Menschen in diesem Land (mit jeweils neun Landesstellen, um die Nähe zu den Versicherten zu garantieren). Es muss Schluss sein mit dem Körberlgeld, dass sich etwa die SVA der gewerblichen Wirtschaft oder andere Sonderversicherungsträger einheimsen.
- Wir wollen, dass allen Versicherten die Leistungen zur Verfügung gestellt werden, die sie benötigen. Es muss einen Leistungskatalog auf Basis aktueller medizinischer Standards, gültig vom Boden- bis zum Neusiedlersee, geben.
- Wir wollen die Versicherten und ihre Rechte stärken. Sie haben Rechtsansprüche und müssen diese auch über ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren gegenüber der Versicherung durchsetzen können. Das ist eine Möglichkeit aktuellste medizinische Behandlungsformen zu etablieren.
- Wir wollen sicherstellen, dass die Beiträge der Versicherten den Menschen zu Gute kommen und nicht mehr als Füllhorn für Bundesländer, Ärztekammern, Pharmakonzerne oder den Bund betrachtet werden. Die Finanzierung der Kranken-, Unfall- wie auch der Pensionsversicherung hat über jeweils einen Topf unter Kontrolle der Sozialversicherung zu erfolgen. Die Sozialversicherung muss in die Lage versetzt werden, strukturellen Blockaden durch Ärztekammern und Konzerne zu entkommen.
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Wir wollen optimale und effektive Betreuungsstrukturen für die Versicherten. In einer Zeit, in der knapp 50% der Menschen in diesem Land erwerbstätig sind, können die Ordinationen nicht nur 20 Stunden in der Woche geöffnet haben. Die Betreuungsangebote haben sich an den Bedürfnissen der PatientInnen zu orientieren. Es kann auch nicht sein, dass Großgeräte mit den Mitteln der Versicherten bezahlt werden, diesen dann aber nur „privat“ (also mit erheblichen Zusatzkosten) zur Verfügung stehen.
- Es kann auch nicht sein, dass die Bundesländer zwar ein Drittel aller Beiträge kassieren, aber damit fuhrwerken dürfen, wie es ihren partikularen Interessen entspricht. Das bezieht sich auch auf die Arbeitsbedingungen in den Krankenanstalten, die für die betroffenen Beschäftigten wie für die PatientInnen unannehmbar sind.
Krankenversicherung
- Die Krankenversicherung hat dafür zu sorgen, dass Menschen zu jener Unterstützung kommen, die sie benötigen.
- Die Krankenversicherungen sind keine Selbstbedienungsläden für die Ärztekammern und Pharmakonzerne. Wir brauchen Strukturen, die eine umfassende Versorgung von PatientInnen ermöglichen.
- Wir wollen bewusst machen, wem die Krankenversicherung gehört: den Versicherten.
- Menschen müssen die beste Versorgung erhalten, unabhängig von ihrem Alter oder der Frage, ob sie erwerbstätig sind. Die Krankenversicherung muss von Aufgaben, die nicht in ihr Gebiet fallen, befreit werden (warum etwa zahlt die Krankenversicherung die „Familienleistung“ Wochengeld?). Wir brauchen zusätzliche Mittel um etwa Versorgungsengpässe bei Kindern, älteren Menschen, aber auch in der Behandlung psychischer Erkrankungen zu überwinden.
- Die beste medizinische Versorgung ist ohne Selbstbehalte für die Versicherten sicherzustellen.
Unfallversicherung
- Die Mittel der Unfallversicherung dienen neben der Behandlung von Arbeitsunfällen und Arbeitserkrankungen der Prävention. Das erfolgt nicht in ausreichendem Maße. Prävention sichert die Gesundheit der Menschen in der Zukunft und senkt somit auch Folgekosten. Die Präventionsarbeit der AUVA muss stark ausgeweitet werden.
Pensionsversicherung
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Gesundheitliche, soziale und berufliche Rehabilitation ist grundsätzlich als Pflichtleistung, also mit Rechtsanspruch für alle Versicherten, zu verankern.
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Förderungen aus Steuermitteln für private Pensionsvorsorgen widersprechen dem Solidarprinzip und sind einzustellen. Diese Mittel sind dem öffentlichen System der Alterssicherung zur Verfügung zu stellen.
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Auch wenn wir als VertreterInnen der Versicherten in der Pensionsversicherung keine Möglichkeit haben auf die gesetzlichen Grundlagen einzuwirken: wir brauchen ein echte, effektive und individuelle Absicherung vor Armut und Ausgrenzung im Alter. Das derzeitige System der Ausgleichszulagen ist nicht ausreichend und lässt insbesondere Frauen sowie Menschen mit niedrigem Einkommen oftmals unterversorgt im Alter zurück.
Und wie wir das tun wollen?
- Unsere Arbeit in den Gremien wollen wir öffentlich machen, indem wir zu aktuellen Themen und Konflikten Stellung beziehen.
- Angestrebt wird mindestens eine quartalweise Stellungnahme zu relevanten Themen der Sozialversicherung.
- Wir werden die Arbeit in den Gremien dazu nutzen, das weitgehend tote Antragsrecht der Versicherten und der VersichertenvertreterInnen mit Leben zu erfüllen.
- Als VertreterInnen der Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen / Unabhängige GewerkschafterInnen (AUGE/UG) werden wir uns in der öffentlichen Debatte zu Themen der Gesundheit, der Gesundheitsfinanzierung und des Pensionsrechts zu Wort melden. Wir überlassen die öffentliche Debatte nicht den VertreterInnen von Lobbies.
Zum Werdegang des Papiers hier auch die Version 1 und Version 2, bei der Bearbeitung und Diskussion wurden Dietmars Kommentare berücksichtigt.
Aktuelle Liste der SozialversichertenvertreterInnen der AUGE/UG Stand Jänner 2016
AUGE/UG SozialversichertenvertreterInnen mit aktualisierten Mailadresse (30. Mai 2016)