Ist die Corona-Arbeitslosigkeit überwiegend weiblich? Nein.
In den vergangenen zwei Wochen gab es mehrere Medienberichte, denen zufolge die gegenwärtig erhöhte Arbeitslosigkeit vornehmlich Frauen treffe. Die Rede war dabei von einem Frauenanteil von 85%. Diese Aussagen beruhen auf einer falschen Interpretation der Arbeitslosenzahlen des AMS, bei welcher der COVID-19-bedingte Anstieg und die übliche saisonale Abnahme der Arbeitslosigkeit von Männern miteinander vermengt werden. Eine korrekte (saisonbereinigte) Betrachtung – Vergleich der Arbeitslosenzahlen mit dem Vorjahr bzw. die Betrachtung von saisonbereinigten Arbeitslosenquoten – ergibt, dass Frauen und Männer von der erhöhten Arbeitslosigkeit in sehr ähnlicher Weise betroffen sind.
Durch Corona-Krise verschärft: Frauen tragen Hauptlast der unbezahlten Arbeit
Frauen verrichten schon in normalen Zeiten mehr unbezahlte Arbeit im Haushalt und bei der Kindererziehung und -betreuung als Männer. In der Corona-Krise hat sich diese Diskrepanz noch verschärft, was insbesondere durch die Betreuung von schulpflichtigen Kindern (Homeschooling) bedingt war, denn auch diese Arbeit wurde überproportional häufig von Frauen geleistet.[1]
In der letzten Woche gab es mehrere Medienberichte (offenbar basierend auf einer APA-Meldung der ÖGB-Frauenvorsitzenden), wonach Frauen auch überwiegend von der Corona Arbeitslosigkeit betroffen seien. Die Rede war von einem Frauenanteil an der erhöhten Arbeitslosigkeit von 85%.[2] Dieser Beitrag zeigt, dass diese Auffassung auf einer falschen Interpretation der Arbeitsmarktstatistik des Arbeitsmarktservice (AMS) basiert. Eine korrekte Interpretation zeigt, dass Männer und Frauen in sehr ähnlicher Wiese von der erhöhten Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Eine naive Interpretation der Arbeitsmarkstatistik
Vergleicht man die Arbeitslosenzahlen vom Juni mit denen von Februar, dann ist der Zuwachs der Arbeitslosigkeit bei den Frauen wesentlich höher als bei den Männer.
Bei dieser Betrachtung, welche den Medienberichten zugrunde liegt, werden jedoch zwei Aspekte vermengt, nämlich einerseits der Anstieg der Arbeitslosigkeit durch die COVID-19-Krise und andererseits die übliche saisonale Abnahme der Arbeitslosigkeit zwischen Winter und Sommer bei Männern.
Starke Saisonalität der Arbeitslosigkeit von Männern muss berücksichtigt werden
Die AMS-Daten sind nicht saisonbereinigt. Dabei sind die saisonalen Schwankungen der Arbeitslosigkeit beträchtlich: Im Winter ist die Arbeitslosigkeit wesentlich höher als im Sommer. Die linke Grafik zeigt die saisonalen Schwankungen für alle Beschäftigten. Der jüngste Anstieg der Arbeitslosigkeit ist dennoch ersichtlich.
Aus der rechten Grafik geht hervor, dass es vor allem die Arbeitslosigkeit der Männer ist, die für die saisonale Schwankungen verantwortlich ist.[3] Vom Winter bis zum Sommer nimmt deren Arbeitslosigkeit üblicherweise stark ab.
Eine saisonbereinigte Betrachtung ist daher notwendig
Die übliche Methode, um konjunkturelle Effekte wie die Corona-Krise von den wenig interessierenden saisonalen Änderungen zu trennen, ist eine saisonbereinigte Betrachtung. Es gibt in Österreich keine „offiziellen“ saisonbereinigten Administrativdaten zum Arbeitsmarkt. Aber üblicherweise werden – auch vom AMS selbst – die Arbeitslosenzahlen im Vergleich zum selben Monat des Vorjahres betrachtet. Im hier interessierenden Fall ergibt sich, dass der absolute Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Frauen und Männern eine ähnliche Größenordnung hat (78.000 vs. 72.000).
Auch die saisonbereinigten[4] Arbeitslosenquoten von Frauen und Männern sind in ähnlichem Maß angestiegen, wie die folgende Grafik zeigt:
Fazit
Die Aussage, dass die Corona-Arbeitslosigkeit zum weitaus überwiegenden Teil weiblich ist, beruht auf einer nicht-zulässigen Interpretation der Arbeitslosendaten. Sie ist daher falsch.
[1] Siehe: https://science.apa.at/rubrik/kultur_und_gesellschaft/Corona-Krise_trifft_Frauen_laut_Studie_doppelt/SCI_20200514_SCI39351351654586762 oder https://www.faz.net/podcasts/f-a-z-dossier-podcast/frauen-tragen-die-hauptlast-der-corona-krise-sagt-soziologin-jutta-allmendinger-16749994.html
[2] Vgl. etwa https://www.diepresse.com/5839754/frauen-von-corona-arbeitslosigkeit-wesentlich-starker-betroffen (15. Juli) und https://orf.at/stories/3173715/ (24. Juli).
[3] Die hohe Saisonalität ist zum Großteil auf den Bausektor zurückzuführen. Der Anteil der Männer an der Beschäftigung (Arbeitslosigkeit) in diesem Sektor beträgt 88% (91%).
[4] Eigene Saisonbereinigung mit dem X12-Verfahren.